Prüfungsangst

Mit akuter Prüfungsangst richtig umgehen

Prüfungsangst äußert sich in verschiedenen Bereichen: bereits in der Prüfungsvorbereitung kann die Prüfungsangst sich deutlich zeigen. Innerhalb der Prüfungssituation, nachfolgenden Leistungsanforderungen nicht gewachsen zu sein setzt uns unter Druck. Unseren Einstellungen beeinflusst durch unsere Fantasien und Vorstellungsbildern unsere Gefühlsreaktionen. Wer sich die Prüfungssituation in den düstersten Farben ausmalt, sich hilflos auf dem Kuli kauend vor dem leeren Papier sitzend oder stotternd vor dem Prüfer sieht, muss Angst empfinden!

Wenn Sie dann Ihre Vorstellung abbrechen und sich ablenken, dann haben Sie sich lediglich darin geübt, sich Angst zu machen. Es kann jedoch auch bewusst eine alternative Vorstellung dagegengesetzt und geübt werden, mit der Angst in der Prüfungssituation umzugehen. Stellen Sie sich hierzu die Prüfungssituation möglichst lebendig vor, den Raum, die Sitzordnung, die anwesenden Personen etc. Stellen Sie sich vor, wie Ihre Angstgefühle auftauchen und Sie damit umgehen können.

Erkennen der Prüfungsangst

Sagen Sie zu sich: „Bleib ruhig. Du hast dich gut vorbereitet. Niemand will dir schaden. Deine Angst wird vorübergehen. Konzentriere dich auf die Fragen. Wenn du eine Frage nicht beantworten kannst, ist das keine Katastrophe. Bleib ruhig, atme tief. Du kannst die Situation bewältigen.“ Wichtig ist, dass Sie sich ausmalen, wie Sie Ihren Körper wieder beruhigen und Ihre Fassung gewinnen können, auch wenn die Angst auftaucht. Wiederholen Sie diese positiven Vorstellungen, wann immer die „Katastrophenfantasien“ auftauchen. Versuchen Sie es auch einmal zu Übungszwecken andersherum: Malen Sie sich (einmal, keinesfalls dauernd!) den schlimmsten Fall aus, der eintreten könnte, und schätzen Sie die Wirkung ab.

Meistens ist ein möglicher Fehlschlag gar nicht so schlimm, wie vor lauter Angst angenommen wird. Glauben Sie an sich, Ihre Leistungen und Fähigkeiten. Und denken Sie daran – Vorbereitung ist alles! Wenn Sie die Inhalte und Anforderungen der Prüfung kennen, schätzen Sie Ihre mögliche Leistung realistisch ein, dann können Sie kaum enttäuscht werden. Und falls doch „Katastrophenfantasien“ auftauchen, versuchen Sie, ruhig zu bleiben.

Bringen Sie Ihren Körper in einen entspannten Zustand!

Stress führt langfristig zu Angst! Und was Stress körperlich auslöst, wurde am Anfang des Kapitels beschrieben. Auch hier gibt es wieder gezielte Strategien, die eingesetzt werden können. Sehr empfehlenswert ist es, ein Entspannungsverfahren wie das Autogene Training oder die Progressive Muskelentspannung zu erlernen. Eine schnelle und leicht zu erlernende Methode ist die Bauchatmung: Legen Sie Ihre Hand flach 2 cm unterhalb des Nabels auf die Bauchdecke. Atmen Sie tief ein und stellen sich vor, wie der Atem langsam bis hinunter zu Ihrer Hand fließt und schließlich Ihre Hand hochatmet. Dann stellen Sie sich vor, wie der Atem langsam wieder über den Brustraum zurück über die Nase nach außen entweicht. Konzentrieren sich darauf, wie die Hand wieder nach unten sinkt.

Wiederholen Sie diese Technik mehrere Minuten bzw. so lange, bis Sie deutlich entspannter sind und der Atem ganz ruhig ist. Sie können diese Übung vor dem Einschlafen am Abend, beim Warten vor dem Prüfungszimmer oder vielleicht sogar in den Pausen während der Prüfung einsetzen. Die Übung hat den Vorteil, dass sie schnell, immer und überall funktioniert und kein langfristiges Training benötigt. Sie basiert auf dem Prinzip, dass die Sauerstoffzufuhr reduziert wird und Sie dadurch weniger Energie zur Anspannung erhalten. Diese drei Strategien sind wichtige Handwerkszeuge, um gelassener in Ihre nächste Prüfung gehen zu können. Sie werden Ihnen jedoch nur nutzen, wenn Sie sie vor der Prüfung trainieren. Eingefahrene Denk- und Verhaltensmuster lassen sich nicht durch Erkenntnis, sondern nur durch Training, Training, Training verändern.

Wie äußert sich Prüfungsangst?

  • Körperlicher Bereich: innere Unruhe, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Durchfall/Verstopfung, Müdigkeit, Schwindelgefühle, Kloßgefühle, Herzstechen, Herzrasen, Heißhungerattacken oder Appetitverlust
  • Seelisches Befinden: Angst, Unsicherheit, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Unlustgefühle
  • Geistige Leistungsfähigkeit: Denkblockaden, Konzentrations-, Aufmerksamkeits- oder Merkfähigkeitsstörungen, Selbstzweifel, Grübel-Gedanken
  • Verhalten: Einnahme von Beruhigungstabletten, viel Alkohol, mehr essen, als nötig, Flucht in unwichtige Routinearbeiten

Ursachen für Prüfungsangst Innere Einstellungen und frühkindliche Prägung

Mit Prüfungsangst zu reagieren, ist erlernt. Es gibt immer Kommilitonen, die – obwohl sie wesentlich weniger gelernt haben oder weniger kompetent sind – locker in die Prüfung gehen. Ja, vielleicht erzielen sie sogar wesentlich bessere Noten als Sie. Prüfungsangst wird demnach nicht durch die Situation selbst ausgelöst. Ein wesentlicher Einflussfaktor bei der Entstehung von Prüfungsängsten sind die eigenen Einstellungen und Bewertungen (s. Coping-Theorie von Lazarus). Je nachdem, wie Sie die eigene Kompetenz, die Bedeutung der Prüfung, die Prüfungssituation und den Prüfer einschätzen, wird Ihr Körper reagieren.

ABC der Gefühle

Wir können diesen Zusammenhang mit dem ABC der Gefühle veranschaulichen: A (Auslöser) steht dabei für die Situation, B für Ihre Bewertung der Situation und C für die aus Ihrer Bewertung resultierenden Gefühle und körperlichen Reaktionen (Konsequenz). Beispiel: Ich gehe in die Prüfung.

  • negative Bewertung: Ich werde durchfallen, stottern, einen Blackout haben.
  • neutrale Bewertung: Ich lasse es auf mich zukommen. Ich habe gelernt und mich vorbereitet.
  • positive Bewertung: Ich habe mich gut vorbereitet. Das sind die letzten Prüfungen. Die werde ich sicher auch noch schaffen.
  • negative Gefühle: Angst, Anspannung, Depression
  • neutrale Gefühle: Ruhe oder leichte Anspannung
  • positive Gefühle: Ruhe oder leichte Vorfreude auf danach

Automatisch mit der Bewertung einer Situation entscheiden sich auch die Gefühle und damit die körperlichen Reaktionen. Die Gefühle sind die zwangsläufige Konsequenz der gedanklichen Einschätzung. Prüfungsangst entsteht, wenn die Prüfung als bedrohlich für die Selbstachtung, die berufliche Karriere etc. angesehen wird und die Fähigkeit, diese Gefahr zu verhindern, als gering eingeschätzt wird. Der Schlüssel zur Beeinflussung der Prüfungsangst liegt in den eigenen Einstellungen, d. h. in der Person selbst.

Kindheitserfahrungen als Ursache von Prüfungsangst

Prüfungsangst hängt aber auch eng mit den Erfahrungen in der Kindheit zusammen. Folgende Faktoren spielen dabei eine Rolle:

  1. Der elterliche Erziehungsstil: Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Eltern ängstlicher Kinder weniger mit ihren Kindern sprechen und sich weniger um deren emotionale Bedürfnisse kümmern. Ihre Hauptaufgabe sehen sie darin, ihren Kindern Verbote und Regeln zu vermitteln. Häufig überfordern sie ihre Kinder und geben wenig verbale und praktische Unterstützung. Sie bestrafen sie häufiger bei Nichterfüllung der Leistungsansprüche. Später übernehmen die Kinder dann selbst die Rolle ihrer Eltern und lehnen sich ab, wenn sie einen Misserfolg haben. Sie erleben jede Leistungssituation als eine persönliche Bedrohung.
  2. Die Persönlichkeit der Eltern: Wir lernen sehr viele unserer Verhaltensweisen am Modell der Eltern. Sind die Eltern selbst sehr ängstlich oder stark leistungsorientiert, schauen wir uns deren Verhaltensmuster ab und verhalten uns entsprechend.
  3. Frühere Erfahrungen mit Prüfungen: Ungerechte Prüfer, negative Reaktionen auf Misserfolge usw. können die Angst vor Prüfungen verstärken.
  4. Gesellschaftliche Normen: In unserer Gesellschaft werden Leistung und die Bedeutung von Erfolgen stark betont, sodass der Einzelne lernt, sein Selbstwertgefühl in Abhängigkeit von seiner Leistung zu definieren. „Nur wer gut ist, gilt etwas und hat etwas zu sagen.“ Je mehr diese Einstellung verinnerlicht ist, umso stärker ist die Angst durchzufallen.
  5. Soziale Faktoren: Wer sich sein Studium selbst finanziert und kein finanzielles Polster hat, wird sich eher unter Druck setzen, sein Studium möglichst schnell abzuschließen und gute Noten zu erzielen, um eine möglichst attraktive oder überhaupt eine Stelle zu bekommen. Für ihn wird das gute Bestehen der Prüfung eine besondere Bedeutung haben.

Überwinden von Prüfungsangst

Jeder einzelne Gedanke, den wir denken, bewirkt automatisch auch eine Veränderung unserer Gefühle. Nicht immer entsprechen unsere Gedanken den Tatsachen. Manches Mal interpretieren wir etwas in eine Situation hinein, ziehen falsche Schlussfolgerungen, malen die Zukunft übertrieben schwarz oder nehmen etwas verzerrt wahr. Da unser Gehirn nicht unterscheiden kann, ob ein Gedanke eine Situation unangemessen oder angemessen beschreibt, ist es umso wichtiger, eigene Gedanken bewusst wahrzunehmen und auch zu prüfen, inwieweit sie der Realität entsprechen. Vermutungen und Übertreibungen erzeugen nur unnötige Angst und Anspannung in uns. Im Folgenden werden typische negative Einstellungen, die Prüfungsangst auslösen, aufgezeigt und Gegenmittel vorgestellt:

  1. Angstauslösender Gedanke: „Ich muss die Prüfung unbedingt bestehen. Wenn nicht, ist alles aus.“ Verständlich, dass man in Panik gerät, wenn man sich suggeriert, alles sei aus, wenn man durch die Prüfung fällt. Hilfreicher Gedanke: „Ich habe mich auf die Prüfung vorbereitet. Es wäre ärgerlich, wenn ich die Prüfung vermasseln würde, doch mein Leben ginge weiter. Ich kann die Prüfung wiederholen.“
  2. Angstauslösender Gedanke: „Ich darf in der Prüfung nicht unsicher wirken oder stottern.“ Wenn man von sich verlangt, cool zu sein, obwohl man nervös ist, dann setzt man sich unter Druck und wird erst recht nervös. Hilfreicher Gedanke: „Der Prüfer weiß, dass Prüflinge aufgeregt sind. Er darf sehen, dass ich nervös und aufgeregt bin.“
  3. Angstauslösender Gedanke: „Ich darf mir keinen Fehler erlauben!“ Wenn man von sich verlangt, alles zu 100 % richtig machen zu müssen, erzeugt das in uns einen enormen Leistungsdruck. Hilfreicher Gedanke: „Fehler sind kein Beinbruch. Wegen eines Fehlers falle ich nicht durch die Prüfung und verliere auch nicht automatisch die Sympathie der Prüfer.“
  4. Angstauslösender Gedanke: „Wenn ich die Prüfung nicht bestehe, bin ich ein Versager!“ Wenn für uns die Prüfung eine Frage von Top oder Flop ist, dann steigert diese Forderung unsere Angst. Hilfreicher Gedanke: „Das ist eine maßlose Übertreibung. Ich hätte dann lediglich in einer Prüfung versagt. Das macht mich nicht zum Versager. Ich habe bereits andere Prüfungen in meinem Leben bestanden.“

Denken Sie daran: Prüfungsangst entsteht durch ängstliche Gedanken und Vorstellungen!

Ihre Angst entsteht im Kopf und genau da müssen Sie sie auch korrigieren. Wenn Sie einige der angstauslösenden Einstellungen und Gedanken bei sich erkannt haben, dann sollten Sie diese, wann immer Sie sich dabei ertappen, durch einen hilfreichen Gedanken ersetzen. Lassen Sie sich nicht davon abschrecken, dass Ihnen die korrigierten Gedanken zunächst vielleicht zu gekünstelt vorkommen oder Sie das Ganze als Wortspielerei betrachten. Um Gewohnheiten zu durchbrechen, müssen wir eine Phase durchlaufen, in der wir uns unsicher fühlen; dies ist ein neuer Lerninhalt. Überlegen Sie sich nur einmal, wie Sie sich fühlen, wenn Sie in England im Linksverkehr Auto fahren sollen.