Stress im Studium

Hintergrundinformationen zu Stress

Stress – das bedeutet für jeden etwas anderes: Belastungen im Privatleben und am Arbeitsplatz, das tägliche Einerlei oder Monotonie – das alles kann Stress sein. Und jeder reagiert darauf anders: ängstlich oder traurig, hilflos, ärgerlich oder hektisch, vielleicht auch mit vermehrtem körperlichen Unwohlsein. Wenn Stress im Privatleben oder am Arbeitsplatz entsteht, liegt dies oft an verschiedenen Faktoren. Typische Stressoren sind Überforderungen, z. B. bei Doppelbelastungen durch Beruf und Familie, Studium und Arbeiten. Nicht selten bringen auch Auseinandersetzungen mit Partnern oder Bekannten jemanden so richtig in Stress. Stress kann auch durch zu wenig Beschäftigung bzw. Langeweile entstehen („Bore-out-Syndrom“) und manche machen sich wahren Freizeitstress.

Übersicht über die Belastungen verlieren

Fast immer ist es aber so, dass Betroffene, die gestresst sind, die Übersicht über die Belastungen verlieren. Daher ist der erste Schritt zu einer Stressbewältigung ein Innehalten, um wieder den Überblick über das Stressgeschehen zu gewinnen. Gelingt es nicht, Stress gesund zu bewältigen, zeigt der Körper meist die ersten Warnsignale. Es gibt verschiedene Ausdrücke aus dem Volksmund, die die körperlichen Reaktionen bei Stress gut beschreiben. Es kann z. B. passieren, dass Dauerstress einem sprichwörtlich „auf den Magen schlägt“, man also Magenschmerzen oder Verdauungsschwierigkeiten bekommt. Oder man „bekommt den Kopf nicht frei“, fühlt sich verspannt und leidet unter Kopfschmerzen. Die Stressreaktionen sind sehr individuell. Viele Menschen verstärken den Alltagsstress zusätzlich durch negative Gedanken. Allerdings: Ohne Stress geht auch nichts. Ein bisschen Stress muss sein, damit wir überhaupt etwas tun. Es geht also darum, eine gesunde Grundanspannung zu halten und darauf zu achten, dass diese Spannung nicht zu groß wird. Deshalb nun einige Stresstheorien, die aufzeigen sollen, was passiert, wenn wir zu viel Anspannung erleben, also Stress haben.

Stress-Theorien Wie entsteht Stress?

Stress stellt – normalerweise – eine überlebensnotwendige Reaktion auf bedrohliche Umweltgegebenheiten (Stressoren) dar, denen man am besten mit Flucht, dem Totstellreflex – also gar nicht – oder Kampf begegnet. Stress ist wahrscheinlich das grundlegendste unserer Gefühle. Er tritt nicht nur bei Menschen auf, sondern wurde auch bei allen Tierarten bis hin zu so einfachen Organismen wie Seeschnecken und ähnlichen wirbellosen Tieren nachgewiesen. Stress ist jedoch nicht grundsätzlich ein schlechtes Gefühl, sondern eine biologisch sinnvolle Reaktion mit einem hohen Überlebenswert. Sie ist als wichtiges Signal für Bedrohungen im Laufe von vielen Tausend Jahren Evolutionsgeschichte entstanden.

Die physiologischen Reaktionen wie erhöhter Herzschlag und eine stärkere Durchblutung der großen Muskeln haben eine Alarmfunktion und dienen dazu, den Körper auf eine Handlung vorzubereiten: Kampf oder Flucht. Wissenschaftlich wird plötzliche oder kurz andauernde Angst daher auch als „Kampf/Flucht-Reaktion“ bezeichnet. In früheren Zeiten, als die Menschen bzw. ihre Vorfahren noch in der freien Natur lebten, war es lebensnotwendig, dass bei Gefahren eine automatische Reaktion eintrat, die sie auf unmittelbares Verhalten vorbereitete (angreifen, weglaufen oder tot stellen).

Für die Entwicklung des Menschen (und auch anderer Lebewesen) war die Entstehung einer Angstreaktion also sehr wichtig, um den Organismus vor Gefahren zu warnen und somit zu seinem Schutz beizutragen. Heutzutage sind aber Reaktionen wie Kämpfen oder Flüchten nicht mehr angebracht. In den seltensten Fällen ist es möglich, den Stressor kurzerhand im Kampf auszuschalten (dem Prüfer beispielsweise auf die Nase zu schlagen). Auch ist ist selten möglich, vor Stress einfach davonzulaufen (also aus einer Prüfung wegzugehen). Unsere Zivilisationsregeln lassen das meist nicht zu. Es gibt wohl niemanden, der nicht schon einmal ein größeres Ausmaß an Stress erlebt hat. Jedem sind also Stressempfindungen bekannt. Körperliche Veränderungen, die mit Stress einhergehen, sind z. B.:

  • Beschleunigung des Herzschlags/ Steigerung des Blutdrucks
  • Ausschüttung von Adrenalin/ Noradrenalin, Cortisol (unterdrückt mittelfristig das Immunsystem)
  • Hemmung der Verdauungstätigkeit
  • Pupillenerweiterung
  • Erweiterung der Atemwege
  • Hemmung der Fortpflanzung
  • Abbau von Gehirnmasse im Bereich des Hippocampus (sorgt für Vergesslichkeit)

Diese körperlichen Reaktionen sind für Kampf-/Fluchtverhalten notwendig, gefährden mittel- bis langfristig aber die Gesundheit. Wie schon erwähnt, ist ein gewisses Maß an Stress, insbesondere in unbekannten Situationen, auch in unserer heutigen hektischen Zeit noch notwendig. Oftmals ist das „Alarmsystem“ aber durch dauernde Beanspruchung überempfindlich geworden. Wenn das Stressniveau dauerhaft hoch ist, setzt eine allgemeine Schwächung des Körpers ein und Beeinträchtigungen und Krankheiten drohen. So kann Dauerstress zu Magenentzündungen, Colitis ulcerosa (chronische Darmkrankheit), Bluthochdruck, Diabetes und auch schweren Depressionen führen.

Coping-Theorie

Eine bekannte Theorie zur Erklärung von Stress ist die „Coping-Theorie“ von Lazarus (1974). Sie beschreibt, durch welche gedanklichen Bewertungsprozesse mehr oder weniger Stressempfinden beim Menschen entsteht: Zunächst wird eine Situation hinsichtlich ihrer persönlichen Bedeutsamkeit eingeschätzt („primary appraisal“). Wird die aktuelle Situation als persönlich relevant bewertet und werden aus der Situation resultierende – interne oder externe – Anforderungen an das Individuum wahrgenommen, erfolgt eine Prüfung der zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien („secondary appraisal“).

Die beiden genannten Bewertungsprozesse bestimmen das emotionale Erleben des Individuums während des Coping-Vorgangs (also des Umgangs mit Stress) sowie die im Endeffekt gezeigte Reaktion. Lazarus unterscheidet mögliche Stressbewältigungs-Strategien zum einen in problemfokussiertes Coping und zum anderen in emotionsfokussiertes Coping bzw. kognitive Strategien. Erstere stellen Verhaltensweisen dar, die auf eine Änderung der Situation abzielen. Letztere bestehen in einer Neubewertung der aktuellen Reizgegebenheiten.

Das Ziel ist dabei, den aversiven (Widerwillen erzeugenden) Effekt eines Stressors zu vermindern, ohne den Stressor selbst direkt zu beeinflussen. Wie effektiv problemfokussierte oder emotionsfokussierte Coping-Strategien sind, hängt davon ab, wie stark das gestresste Individuum die Situation kontrollieren, also durch konkrete Handlungen eingreifen kann. Die Kontrollierbarkeit der jeweiligen Situation ist demnach ein wichtiger Indikator für das Stresserleben. Wichtig sind dabei vor allem die eigenen Gefühle für die Bewertung einer Situation.

Antonovskys SOC

Der Kohärenzsinn als Widerstandsfaktor gegen Stress („sense of coherence“ (SOC)) wurde von Aaron Antonovsky (1993) untersucht und etabliert. Es zeigte sich, dass Menschen mit hohem Kohärenzsinn besonders widerstandsfähig gegenüber Stress sind. Daher stellt der SOC einen „Widerstandsfaktor“ gegenüber Stress dar. Der entscheidende gesunderhaltende („salutogenetische“) Faktor liegt dabei wohl v. a. in einer bestimmten Einstellung gegenüber sich selbst und der Außenwelt. Antonovsky definiert den SOC wie folgt: „Eine globale Orientierung, die das Ausmaß ausdrückt, in dem jemand ein durchdringendes, überdauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass erstens die Anforderungen aus der internalen und externalen Umwelt im Verlauf des Lebens strukturiert, vorhersagbar und erklärbar sind, und dass zweitens die Ressourcen verfügbar sind, die nötig sind, um den Anforderungen gerecht zu werden. Und drittens, dass die Anforderungen Herausforderungen sind, die Investitionen und Engagement verdienen“ (Antonovsky 1993).

Der SOC setzt sich aus drei Komponenten zusammen: comprehensibility (Verstehbarkeit), manageability (Handhabbarkeit) und meaningfulness (Sinnhaftigkeit). Comprehensibility ist eine kognitive Komponente, die es ermöglicht, Sinn zu erzeugen. Sie meint die Fähigkeit, aus den zunächst chaotisch erscheinenden Stimuli und Informationen des inneren und äußeren Umfelds einen verstehbaren Zusammenhang herzustellen. Dass gerade diese Komponente bei der Abwehr von Stress besondere Bedeutung hat, ist offensichtlich. Was als sinnvoll interpretiert wird, entwickelt sich gar nicht erst zum Stress, im Gegenteil: Es kann sogar als Herausforderung empfunden werden. Die zweite Komponente des SOC ist manageability.

Es geht hierbei um die Fähigkeit, unter Belastungen innere und äußere Ressourcen zu mobilisieren. Für Antonovsky kommt es dabei nicht darauf an, ob diese psychische Ressource unter der eigenen Kontrolle oder unter der Kontrolle „legitimierter anderer“ steht, wie z. B. des Ehepartners, von Freunden, Kollegen, Gott oder einer politischen Partei. Entscheidend ist bei diesem Merkmal, dass man nicht das Gefühl hat, Opfer zu sein. Was auch immer im Leben geschieht, man wird es bewältigen und nicht endlos darunter leiden. Die Fähigkeit, seine Rolle am Arbeitsplatz zu strukturieren bzw. eine solche Kontrolle zur eigenen Entlastung durch andere ausführen zu lassen, gehört in dieses Feld. Der auf diesem Weg vermiedene oder abgewehrte Stress ist das positive Resultat einer entwickelten Fähigkeit, die Dinge zu „managen“.

Wie auch bei Lazarus ist also das Gefühl der Kontrolle ein wesentlicher Faktor. Die dritte Komponente des Kohärenzsinns ist meaningfulness (Sinnhaftigkeit). Es handelt sich um eine emotionale oder motivationale Komponente des menschlichen Erlebens, die sich in der Fähigkeit ausdrückt, Belastungen sowie die zahllosen großen und kleinen Anforderungen des Lebens als sinnhaft zu erfahren. Ein wichtiger Aspekt der Sinnhaftigkeit ist der emotionale Gesichtspunkt der Bedeutsamkeit. Personen mit einer starken Fähigkeit, das Leben als sinnhaft zu erfahren, betrachten vieles in ihrem Alltag als wichtig und bedeutsam, wert, sich dafür zu engagieren. Sie sind daher am ehesten in der Lage, belastende Vorfälle und Ereignisse als Herausforderung zu betrachten und Stress überhaupt nicht aufkommen zu lassen.

Stress und Emotionen Wie Gefühle Stress ausdrücken und auslösen können

Die eigenen Gefühle (Emotionen) können zu großem Stress führen. Warum dies so ist, wird deutlich, wenn man zunächst danach fragt, welche Funktion Emotionen haben: Emotionen stellen sich offenbar dann ein, wenn eine geplante Handlung entweder blockiert wird (unangenehme Emotion) oder erfolgreich beendet werden kann (angenehme Emotion). Von den Emotionen geht dabei eine doppelte Signalwirkung aus: einerseits nach innen (Selbstwahrnehmung) und andererseits nach außen.

Die Außenwirkung der Emotion vollzieht sich hauptsächlich über die Mimik, den emotionalen Gesichtsausdruck, der damit die Funktion hat, die Umwelt von unseren Motivationen und Absichten zu unterrichten. Wer lächelt, zeigt seine guten Absichten, wer grimmig und verkniffen dreinschaut, signalisiert schlechte Laune und Abwehr. Eine zentrale Funktion von Emotionen ist also die der Kommunikation. Übrigens: Offensichtlich ist der emotionale Gesichtsausdruck eine universale Sprache. Zumindest ist es gelungen, für die sogenannten „Basisemotionen“ überall auf der Welt ähnliche mimische Ausdrucksbewegungen nachzuweisen: Freude, Angst, Überraschung, Ärger, Ekel und Trauer.

Die nähere Betrachtung der somatischen (körperlichen) und motorischen Ebene der verschiedenen Emotionen enthüllt eine weitere Funktion: die Handlungsbereitschaft für verschiedene, meist überlebenswichtige Situationen herzustellen. Für alle sogenannten „Basisemotionen“ des Menschen sind Ereignissequenzen beschrieben worden, die diese Zusammenhänge verdeutlichen. Es kann sich dann Stress ergeben, wenn Menschen die Impulse, die mit Emotionen verbunden sind, nicht ausleben können. Und dies kommt in unserer modernen Umwelt sehr häufig vor (z. B. nicht flüchten können, auch wenn z. B. eine Arbeitssituation/ Prüfungssituation sehr unangenehm ist).

Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Es ist auf jeden Fall wichtig, sich möglichst nach den Handlungsimpulsen der Emotionen zu richten. Wenn ein unmittelbares Ausleben nicht möglich ist, dann sollten Sie möglichst schnell eine Ersatzhandlung ausführen (z. B. Joggen zum Ausleben der Angst-Emotion, die eventuell als Reaktion auf eine Bedrohung im Beruf entstanden sein könnte). Es kann vereinzelt vorkommen, dass die Emotionen in ihrer Stärke nicht adäquat sind, z. B. wenn ein Student panische Angst vor einem Dozentengespräch in der Sprechstunde hat. Hier gilt es, die Situation adäquat einschätzen zu lernen.

In diesem Fall ist die Emotion selbst der Stress!